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Erklärung des Landeskirchenvorstandes
zur Grundordnung
der Evangelischen Kirche in Deutschland
vom 13. Juli 1948

vom 16. Mai 1949

(GVBl. Bd. 13 S. 125)

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Angesichts der kirchlichen Entwicklung der letzten Zeit sieht sich der Landeskirchenvorstand im Bewusstsein seiner Verantwortung für die EKD zu folgender Erklärung genötigt:
Die am 3. Dezember 1948 verkündete Grundordnung der EKD enthält ohne genügende Verbindung zwei Linien. Sie lässt sich einerseits verstehen als Ruf an die in der EKD zusammengeschlossenen Kirchen, in Gemeinschaft des Glaubens, Liebens und Hoffens bekennende Kirche zu sein und so auf dem Wege zu bleiben, der seinerzeit auf der Barmer Bekenntnissynode gemeinsam betreten worden ist. Sie bietet andererseits eine Handhabe, die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit auf eine Reihe von Äußerlichkeiten zu beschränken und innerhalb der EKD in erster Linie das Leben konfessioneller Kirchentümer zu pflegen. Jede Gliedkirche steht vor der Entscheidung, ob sie der beharrenden Richtung verhaftet sein oder die vorwärtsweisenden Linien der Grundordnung zu ihrem Recht kommen lassen will.
Der Landeskirchenvorstand der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland ist davon überzeugt, dass Gott uns die Barmer Bekenntnissynode und die von ihr gemeinsam bekannte Theologische Erklärung nicht deshalb geschenkt hat, damit wir heute erneut auf die Bekenntnisse des 16. Jahrhunderts als das bis auf weiteres abschließende Wort der Kirche zurückgreifen und die auf ihnen erbauten Bekenntniskirchen als bis auf weiteres unaufgebbare Gebilde betrachten. Darum halten wir es für erforderlich, dass die von der Grundordnung nicht ausgeschlossene Tendenz einer kirchenpolitischen Orientierung nach rückwärts durch eine einmütige und kraftvolle Betonung derjenigen ihrer Grundbestimmungen überwunden wird, die das Erbe des Kirchenkampfes bejahen und die daraus sich ergebende Verpflichtung anerkennen.
Wir sind uns jedoch auch darüber klar, dass in zahlreichen Landeskirchen die entgegengesetzte Auffassung herrschend ist, die die vorwärtsweisenden Bestimmungen der Grundordnung paralysiert und das Erbe des 16. Jahrhunderts um so nachdrücklicher verabsolutiert.
Die Betheler Synode hat den Eindruck hinterlassen, dass diese entgegengesetzte Auffassung in der EKD zur Zeit vorherrscht. Dabei bleibt völlig im Hintergrund, dass die EKD ausdrücklich „bekennende Kirche“ (Art. 1,2) sein will und „sich um die Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen zu bemühen“ hat (Art. 6,1). 10 Statt dessen wird immer wieder allein betont, dass sie „nur“ ein Kirchenbund sei.
11 Es lässt sich verstehen, dass man in einem rein äußerlich aufgefassten Kirchenbund die Machtpositionen nach den vorhandenen Machtverhältnissen verteilt. 12 Von dem anderen Grundverständnis her, welches ein gemeinsames brüderliches Fortschreiten im Hören aufeinander und auf das Zeugnis der Schrift fordert, ist dieses Verfahren unmöglich. 13 Weil wir von diesem Grundverständnis ausgehen, ja es für das einzig Sachgemäße halten, darum müssen wir es ablehnen, wenn in den Organen der EKD immer deutlicher der reine Machtstandpunkt ausschlaggebend wird und Minderheiten bedenkenlos majorisiert werden.
14 Dabei wollen wir gewiss nicht für den Standpunkt unserer eigenen reformierten Konfession streiten. 15 In unserem zentralen Anliegen wissen wir uns vielmehr mit zahlreichen Brüdern in den unierten und lutherischen Kirchen einig, und wir sind überzeugt, dass wir nicht nur in unserem eigenen, sondern in ihrer aller Namen gegen eine Entwicklung protestieren, die die EKD zu einer kirchlichen Scheingröße stempelt und von ihr lediglich eine formale Bürokratie übriglässt.