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Kirchengesetz
über die Ordnung der Visitation in der
Evangelisch-reformierten Kirche
(Synode evangelisch-reformierter Kirchen
in Bayern und Nordwestdeutschland)
(Visitationsordnung)

vom 11. Mai 2001
in der Fassung vom 17. April 2008

(GVBl. Bd. 19 S. 57)

Die Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland) hat das folgende Kirchengesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
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Grundlegung

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I.

„Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am anderen hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe.“ (Epheser 4, 15-16).
Die Visitation gründet in der gemeinsamen gegenseitigen Verantwortung der Gemeinden. Sie soll den Gemeinden und Synodalverbänden helfen, dem in Epheser 4, 15-16 angezeigten Wachstum zu entsprechen.
Elemente der Visitation sind der gemeinsame Gottesdienst sowie Begegnung und Gespräch, Ermutigung und Kritik, Bestandsaufnahme und planende Vorausschau.
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II.

Die Visitation fragt nach der Beachtung der bestehenden Ordnung, aber auch nach deren Sachgemäßheit.
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III.

Die Feier des gemeinsamen Gottesdienstes ist die Mitte der Visitation und bestimmt deren Stil.
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§ 1
Häufigkeit

( 1 ) Jede Gemeinde soll mindestens alle acht Jahre visitiert werden.
Außerdem kann eine Visitation von der Gemeinde erbeten oder vom Moderamen der Synode sowie vom Moderamen der Gesamtsynode angeordnet werden.
Gemeinden mit einer gemeinsamen Pfarrstelle können gleichzeitig visitiert werden.
Bei Gemeinden mit verschiedenen Amtsbezirken können der Gesamtvisitation Einzelvisitationen vorausgehen.
( 2 ) Eine erbetene oder angeordnete Visitation kann sich auf bestimmte Arbeitsbereiche oder Sachverhalte beschränken.
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§ 2
Gegenstand

( 1 ) Die Visitation umfasst das gesamte Leben der Gemeinde einschließlich der Prüfung von Entwicklungszielen und deren Umsetzung und der Formulierung von Schlussfolgerungen und konkreten Maßnahmen nach der Visitation. In Absprache mit dem Kirchenrat/Presbyterium können besondere Schwerpunkte festgelegt werden.
( 2 ) Die Prüfung der Vermögens- und Finanzverwaltung einschließlich der Prüfung der Registratur, des Archivs und der Kirchenbücher sowie die Besichtigung kirchlicher Gebäude kann zeitlich vorweggenommen werden.
Die Visitationskommission kann mit diesen Aufgaben dafür befähigte Personen betrauen.
( 3 ) Bei der Visitation von Gemeinden, deren Pfarrer oder Pfarrerin Präses oder Frau Präses der Synode ist, umfasst die Visitation auch die Leitung und Verwaltung des Synodalverbandes.
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§ 3
Visitationskommission

( 1 ) Die Durchführung der Visitation obliegt dem Moderamen der Synode.
Das Moderamen der Synode kann diese Aufgabe an eine von der Synode zu wählende Visitationskommission übertragen. Der Vorsitz obliegt in jedem Fall dem Präses oder der Frau Präses der Synode.
Das Moderamen der Synode kann Personen, die für die Aufgabe der Visitation geeignet sind, für die Dauer seiner Amtszeit wie auch von Fall zu Fall berufen.
Die Visitationskommission kann Vertreter oder Vertreterinnen anderer Synodalverbände oder Kirchen um Mitarbeit bitten.
( 2 ) Zu einer vom Moderamen der Gesamtsynode angeordneten Visitation kann das Moderamen der Gesamtsynode zwei seiner Mitglieder in die Visitationskommission entsenden.
( 3 ) Bei der Visitation von Gemeinden, deren Pfarrer oder Pfarrerin Präses oder Frau Präses der Synode ist, tritt der Kirchenpräsident oder die Kirchenpräsidentin für den Vorsitzenden oder die Vorsitzende der Visitationskommission ein.
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§ 4
Vorbereitung

( 1 ) Das Moderamen der Synode stellt für seine Wahlperiode im Benehmen mit den Kirchenräten/Presbyterien einen Visitationsplan auf und teilt diesen den Gemeinden und dem Moderamen der Gesamtsynode mit. Der genaue Zeitplan der Visitation wird rechtzeitig, spätestens zwölf Wochen zuvor, in Absprache mit der Gemeinde festgelegt.
( 2 ) Zur Vorbereitung der Visitation erstellt der Kirchenrat/das Presbyterium nach der vom Moderamen der Gesamtsynode zu beschließenden Anleitung A einen Bericht, in dem er das Gemeindeleben beschreibt.
Dabei können Schwerpunkte, Entwicklungen, aber auch Defizite aufgezeigt werden.
In den Bericht können Arbeitsbereiche einzelner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesondert aufgenommen werden.
Jedes Mitglied des Kirchenrats/Presbyteriums hat das Recht, dem Bericht abweichende Auffassungen beizufügen.
Den Mitgliedern der Gemeindevertretung ist der Bericht frühzeitig und mit dem Hinweis auf Möglichkeit einer eigenen Stellungnahme zur Kenntnis zu geben.
Der Visitationskommission ist der Bericht vier Wochen vor der Visitation vorzulegen.
Bei der Visitation von Gemeinden, deren Pfarrer oder Pfarrerin Präses oder Frau Präses der Synode ist, wird von diesen oder von dieser gleichzeitig nach der vom Moderamen der Gesamtsynode zu beschließende Anleitung B ein zusätzlicher Bericht vorgelegt.
( 3 ) Auf die Visitation wird durch Abkündigungen, durch Gemeindeblatt oder andere Veröffentlichung wiederholt hingewiesen.
Der Gemeinde wird bekannt gemacht, dass die Gemeindeglieder die Möglichkeit haben, persönliche Erfahrungen, Anregungen und Beanstandungen vertraulich – schriftlich oder mündlich – zu unterbreiten.
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§ 5
Durchführung

( 1 ) Die Predigt im gemeinsamen Gottesdienst hält der Gemeindepfarrer oder die Gemeindepfarrerin. Ein Mitglied der Visitationskommission spricht ein Grußwort.
Der Kindergottesdienst wird von der Visitationskommission besucht.
( 2 ) In einer gemeinsamen Sitzung von Kirchenrat/Presbyterium und Visitationskommission wird unter Leitung des oder der Vorsitzenden der Visitationskommission der vorgelegte Bericht erörtert. Der Kirchenrat/Das Presbyterium kann die Gemeindevertretung und die Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen der Gemeinde hinzuziehen, sofern diese nicht ohnehin nach § 29 (3) der Kirchenverfassung zu hören sind. Im Rahmen der gemeinsamen Sitzung findet ein Gespräch zwischen Kirchenrat/Presbyterium und der Visitationskommission in Abwesenheit des Gemeindepfarrers oder der Gemeindepfarrerin und seines oder ihres Ehepartners statt.
( 3 ) Während der Visitation wird der Konfirmandenunterricht (der kirchliche Unterricht) besucht. Der Unterricht ist von dem Gemeindepfarrer oder der Gemeindepfarrerin zu halten.
Ein Konzept der Unterrichtsstunde ist der Visitationskommission spätestens am Tage der Visitation vorzulegen.
( 4 ) Eine Begegnung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit der Visitationskommission dient der gegenseitigen Wahrnehmung, dem Austausch von Erfahrungen und der Formulierung von Anregungen und Perspektiven.
( 5 ) Es können Gespräche der Visitationskommission oder einzelner ihrer Mitglieder mit den Pfarrern oder Pfarrerinnen und anderen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen der Gemeinde stattfinden.
( 6 ) Während der Visitation findet eine Versammlung statt, auf der alle anstehenden Fragen besprochen werden können.
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§ 6
Abschluss

( 1 ) Nach Abschluss der Visitation fertigt die Visitationskommission innerhalb von sechs Wochen einen Bericht an.
Als Anlage werden:
  • der Bericht des Kirchenrates/Presbyteriums
  • ein Verlaufsprotokoll der Visitation mit eventuellen Anlagen, sowie
  • die von den beteiligten Pfarrern und Pfarrerinnen, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für die Schwerpunkte der Visitation erarbeiteten Konzepte (Predigt, Konfirmandenunterricht, Protokoll der gemeinsamen Sitzung, Bericht über die Prüfung der Verwaltung, der baufachliche Bericht sowie ein Orgel- und Glockengutachten u. a.) hinzugenommen.
Einzelne Mitglieder der Kommission können dem Bericht abweichende Stellungnahmen beifügen.
( 2 ) Das Moderamen der Synode, in den Fällen des § 3 (3) der Kirchenpräsident oder die Kirchenpräsidentin, erteilt aufgrund des Berichts einen Bescheid an die Gemeinde. Dieser wird mit dem Bericht und den Anlagen dem Moderamen der Gesamtsynode übersandt. Der Kirchenpräsident oder die Kirchenpräsidentin fügt dem Bericht und dem Bescheid eine Stellungnahme für das Moderamen der Gesamtsynode bei.
Er oder sie kann der Gemeinde einen ergänzenden Visitationsbescheid erteilen.
( 3 ) Der Bescheid wird im Kirchenrat/Presbyterium und in der Gemeindevertretung beraten.
( 4 ) Das Moderamen der Synode prüft, ob aus der Visitation Folgerungen für andere Kirchengemeinden oder einzelne Einrichtungen oder Arbeitsgebiete zu ziehen sind und ob damit im Zusammenhang stehende Fragen der Synode vorgelegt werden sollen.
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§ 7
Ausführungsbestimmungen

Ausführungsbestimmungen erlässt das Moderamen der Gesamtsynode im Wege der Rechtsverordnung.
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§ 8
Inkrafttreten

Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Juni 2001 in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt treten alle die Visitation betreffenden kirchlichen Rechtsvorschriften, soweit sie den Bestimmungen dieses Kirchengesetzes entsprechen oder ihnen entgegenstehen, außer Kraft.