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Kirchengesetz
zur Anwendung und Ausführung
der Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland
zum Schutz vor sexualisierter Gewalt

vom 6. Mai 2022

(GVBl. Bd. 21 S. 171)

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§ 1
Anwendung von EKD-Recht

( 1 ) Die Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vom 18. Oktober 2019 (ABl. EKD 2019 S. 270; 2020 S. 25) (Gewaltschutzrichtlinie der EKD) findet in der Evangelisch-reformierten Kirche, ihren Kirchengemeinden, Synodalverbänden und kirchlichen Stiftungen mit allen Werken, Anstalten und Einrichtungen unabhängig von ihrer Rechtsform in der jeweils gültigen Fassung nach Maßgabe dieses Kirchengesetzes Anwendung.
( 2 ) Voraussetzung für die Zuordnung rechtlich selbständiger Einrichtungen zur Evangelisch-reformierten Kirche ist die Anwendung der Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vom 18. Oktober 2019 (ABl. EKD 2019 S. 270; 2020 S. 25) (Gewaltschutzrichtlinie der EKD) in der jeweils gültigen Fassung in der jeweiligen Einrichtung.
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§ 2
Gesamtkirchliche Aufgaben

( 1 ) Durch die dienstlich zuständigen Stellen auf gesamtkirchlicher Ebene wird sichergestellt, dass
  1. die Aufgaben gemäß § 6 Absatz 2 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD umgesetzt werden,
  2. Schulungen zur Prävention angeboten werden,
  3. eine Zusammenarbeit mit der Melde- und Ansprechstelle, der Anerkennungskommission und übergeordneten kirchlichen Körperschaften erfolgt,
  4. die Schulung, Vernetzung und fachliche Betreuung von Beauftragten zur Prävention sexualisierter Gewalt sichergestellt wird und
  5. die Aufgaben gemäß § 6 Absatz 1 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD auf gesamtkirchlicher Ebene erfüllt werden.
( 2 ) Auf Beschluss des Moderamens der Gesamtsynode können Aufgaben gemäß Absatz 1 Satz 1 ganz oder teilweise auf Dritte übertragen werden; im Übrigen regelt die Kirchenpräsidentin oder der Kirchenpräsident die dienstlichen Zuständigkeiten. Die Aufgabezuweisung erfolgt schriftlich und ist der jeweiligen Aufgabe entsprechend angemessen öffentlich bekannt zu machen.
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§ 3
Beauftragte zur Prävention
sexualisierter Gewalt

( 1 ) Synodalverbände sollen Personen oder Stellen als Beauftragte zur Prävention sexualisierter Gewalt berufen. Die Beauftragten dürfen nicht ordinierte Pfarrerin oder Pfarrer oder hauptamtlich in der Jugendarbeit tätig sein. Sie werden durch die Synode für die Dauer ihrer Amtszeit berufen und bleiben bis zur Berufung ihrer Nachfolge im Amt.
( 2 ) Beauftragte zur Prävention sexualisierter Gewalt sind Multiplikatoren im Synodalverband und dessen Kirchengemeinden für die Prävention gegen sexualisierte Gewalt und unterstützen sie bei der Umsetzung ihrer Aufgaben gemäß § 6 Absatz 1 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD. Sie haben eine Lotsenfunktion für Betroffene von sexualisierter Gewalt und haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende.
( 3 ) Beauftragte zur Prävention sexualisierter Gewalt sind nicht für privatrechtlich organisierte Einrichtungen und Einrichtungen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb zuständig.
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§ 4
Informations- und Beteiligungspflicht

( 1 ) Das Landeskirchenamt ist in Fällen eines begründeten Verdachts auf sexualisierte Gewalt unverzüglich von der betroffenen Einrichtung zu informieren und im Rahmen strukturierter Handlungs- und Notfallpläne zu beteiligen.
( 2 ) Beim Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat die betroffene Einrichtung grundsätzlich die Strafverfolgungsbehörden und erforderlichenfalls staatliche Aufsichtsbehörden zu informieren und mit diesen eng zu kooperieren. Von der Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden und staatlicher Aufsichtsbehörden kann nur abgesehen werden, wenn dies dem ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Person oder deren Sorgeberechtigten entspricht und der Verzicht auf eine Mitteilung rechtlich zulässig ist. Ein Verzicht ist nicht zulässig, wenn eine konkrete Gefahr für weitere Personen besteht. Die betroffenen Einrichtungen werden vom Landeskirchenamt dabei unterstützt.
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§ 5
Melde- und Ansprechstelle

( 1 ) In der Evangelisch-reformierten Kirche wird eine Melde- und Ansprechstelle gemäß § 7 Absätze 1 und 2 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD errichtet. Die Melde- und Ansprechstelle nimmt zusätzlich die Aufgaben gemäß § 7 Absatz 3 Nrn. 4 bis 9 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD wahr. Die Aufgaben der Ansprechstelle können auf andere übertragen werden.
( 2 ) Die Melde- und Ansprechstelle soll organisatorisch so von den kirchlichen Organen und der kirchlichen Verwaltung abgetrennt sein, dass keine Berichtspflichten oder Weisungsgebundenheit für die Behandlung von Einzelfällen bestehen.
( 3 ) Das Moderamen der Gesamtsynode ist für die Errichtung einer Melde- und Ansprechstelle oder die Übertragung der Aufgaben der Melde- und Ansprechstelle auf andere zuständig.
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§ 6
Beichtgeheimnis und
seelsorgerliche Schweigepflicht

Das Beichtgeheimnis ist unverbrüchlich zu wahren. Dienstvorgesetzte haben Rollenklarheit herzustellen; sie können sich auf die seelsorgerliche Schweigepflicht nur berufen, wenn diese ausdrücklich vereinbart wurde.
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§ 7
Anerkennungskommission

Die Evangelisch-reformierte Kirche errichtet gemeinsam mit den evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen eine „Anerkennungskommission der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen“ als unabhängige Kommission gemäß § 9 Absätze 1 und 2 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD. Aufgaben und Struktur der Kommission werden in einer vom Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen im Einvernehmen mit der Bremischen evangelischen Kirche beschlossenen Ordnung festgelegt.
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§ 8
Prozessuale Aufarbeitung

( 1 ) Neben der Unterstützung gemäß § 10 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD werden auf Antrag die notwendigen Kosten der betroffenen Person für einen Zeugenbeistand und einen weiteren Beistand im juristischen Verfahren zur Aufarbeitung ihres persönlichen Falles erstattet.
( 2 ) § 33a Absatz 4 des Disziplinargesetzes gilt in Verdachtsfällen von sexualisierter Gewalt für interne Verwaltungsverfahren sinngemäß.
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§ 9
Umsetzung

( 1 ) Die dienstlich zuständigen Stellen auf gesamtkirchlicher Ebene (§ 2), die Melde- und Ansprechstelle, die Anerkennungskommission sowie die Beauftragten für die Prävention sexualisierter Gewalt sind bis zum 31. Dezember 2022 einzurichten oder zu berufen.
( 2 ) Alle Einrichtungen sind verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2022 mit der Entwicklung und Implementierung institutioneller Schutzkonzepte (§ 6 Gewaltschutzrichtlinie der EKD) in ihrem Verantwortungsbereich zu beginnen. Die Implementierung muss bis zum 31. Dezember 2023 abgeschlossen sein.
( 3 ) Zur Umsetzung von § 6 Absatz 3 Nr. 4 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD erfolgt die erstmalige Vorlage erweiterter Führungszeugnisse bis zum 31. Dezember 2022.
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§ 10
Sonstige Vorschriften

( 1 ) Die Evangelisch-reformierte Kirche ist verpflichtet, die Melde- und Ansprechstelle, die Unabhängige Kommission und die Präventionsangebote ausreichend bekannt zu machen.
( 2 ) Das Moderamen der Gesamtsynode kann zur Ausführung dieses Kirchengesetzes Regelungen im Wege der Rechtsverordnung erlassen.
( 3 ) Die Kirchenpräsidentin oder der Kirchenpräsident kann Rahmenkonzepte und Muster für verbindlich erklären.
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Artikel 6

Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Juli 2022 in Kraft.
Mit dem Inkrafttreten treten das
  1. das Kirchengesetz über den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung durch beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende in der Evangelisch-reformierten Kirche vom 22. November 2012 (Gesetz- und Verordnungsbl. Bd. 19 S. 336) und die
  2. Verordnung zur Ausführung des Kirchengesetzes über den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung durch beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende im Dienst der Evangelisch-reformierten Kirche vom 15. April 2013 (Gesetz- und Verordnungsbl. Bd. 20 S. 4)
außer Kraft.

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1 ↑ Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis